2021-10-28

Heute muss sie werden!

 von Wolfgang Filì, facts-and-figures

Früher wurden Glocken in puren Lehm gegossen. Heute setzen die Gießereien meist Formen mit Furanharz ein. Dieser Binder hilft bestens, ist aber Schadstoff-belastet. Die TU Freiberg hat ein Verfahren entwickelt, das umweltneutralen Guss möglich macht. 

Bis dato haben die Freiberger derart sechs Glocken gegossen. Ziel sei ein ebenso wirtschaftlicher wie umweltverträglicher Weg, er soll Glocken im selben Qualitätsstandard liefern wie traditionell die Lehmform und das industriell angewendete Furanharz-Verfahren, sagt Gotthard Wolf. Er leitet das Gießerei-Institut der TU Freiberg. Zusammen mit sächsischen Betrieben soll dieses Ziel erreicht werden durch zwei neue Technologien.

Erprobung der neuen Glockenguss-Technik im Sächsischen Metallwerk Freiberg. © Detlev Müller

In der Regel werden Glocken als Einzelstücke mit definierter Klangfarbe und Verzierung hergestellt. Erhitzte Bronze fließt in ein Formwerkzeug: einen Hohlraum zwischen einem Kern und einem Mantel. Dort erkaltet sie, bevor sie nach einigen Wochen freigelegt wird. Kern und Mantel herzustellen, dauert lange, setzt Feinarbeit und das Wissen von Generationen von Glockengießern voraus. Das CNC-Fräsen soll die Arbeitsschritte beschleunigen. Die Zeit bis zum fertigen Formwerkzeug wird von mehreren Wochen im klassischen Lehmform-Verfahren abgekürzt auf knappo fünf Tage.

Statt Lehm oder Furanharz wird für die Form zementgebundener Quarzsand verwendet. Als Binder dient ein Spezialzement: der so genannte Ettringit-Zement. Mit ihm härtet der Formstoff schneller als herkömmliche Zemente aus. Zudem ist er umweltverträglicher. „Es tritt hauptsächlich harmloser Wasserdampf als Emission auf, während beim Lehmform-Verfahren und vor allem bei kunstharzgebundenen Formstoffen Schadstoffe entstehen wie Benzol, Toluol, Ethylbenzol und Xylol. Basierend auf aluminium-, calcium- und sulfathaltigen Rohstoffen lässt sich der neue zementgebundene Formstoff zudem besser entsorgen“, erklärt Projektmitarbeiter Marco Weider.

Bloß harmloser Wasserdampf als Emission

Eine der nach dem neuen Verfahren beim Sächsischen Metallwerk hergestellten Glocken erhält die TU Bergakademie Freiberg. Übergeben wurde sie Oktober 2021 an Rektor Klaus-Dieter Barbknecht und den amtierenden Kanzler Jens Then. Rahmen war das wissenschaftliche Ledebur-Kolloquiums des Gießerei-Institutes, auf dem sich jährlich Industrie und universitäre Forschung austauschen.

Die rund 120 kg schwere und 0,6 m hohe Bronzeglocke trägt die Inschrift „Theoria cum praxi, Friberga 2021“ (Theorie mit Praxis, Freiberg 2021) nebst den Logos der Universität und des Gießerei-Instituts. Auf dem Freiberger Campus soll sie in einem Glockenturm auf dem Wissenschaftskorridor läuten. 


Die mit dem Verfahren hergestellte Universitäts-Glocke. © Institut für Gießerei

Das Verfahren entwickelt die TU Bergakademie Freiberg gemeinsam mit den mittelständischen Unternehmen Sächsisches Metallwerk GmbH und Kunstguss Döhler GbR. Im Rahmen des Zentralen Innovationsprogrammes Mittelstand ZIR wird das Projekt mit 189.999 Euro gefördert. Es soll die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit mittelständischer Unternehmen stärken.

Technische Universität Bergakademie Freiberg
http://tu-freiberg.de

Sächsisches Metallwerk Freiberg GmbH

Kunstguss Döhler GbR

2021-06-14

Wie sehen Produktionssysteme der Zukunft aus?

von Volker Albrecht, freier Journalist in Bamberg

Spielt Nachhaltigkeit in den Produktionssystemen nach der digitalen Transformation eine wichtige Rolle? Eine Fraunhofer-Studie fragt bei Praxisexperten nach und formuliert zehn Richtlinien für ganzheitliche Produktionssysteme.

Eine Forschergruppe des Fraunhofer IPA hat für die rund 100-seitige Studie „Ganzheitliche Produktionssystem 4.0“ im Zeitraum von Juli bis Dezember 2020 Fachleute aus der Praxis zu Thesen für die Weiterentwicklung ganzheitlicher Produktionssystem befragt. In einer ersten Stufe haben 73 Teilnehmer in einem Web-Survey sieben Hypothesen zur Produktion der Zukunft bestätigt - oder eben nicht. Dieser nicht repräsentativen Internetbefragung schlossen sich 18 umfassendere Interviews mit 20 Produktionsfachleuten aus der Automobilbranche sowie dem Anlagen und Maschinenbau an.

 Die zehn Richtlinien für die Gestaltung zukunftsfähiger Produktionssysteme. © Fraunhofer IPA

Hintergrund der Studie ist die digitale Transformation in der Industrie und deren Einffluss auf die Gestaltung von ganzheitlichen Produktionssystemen (GPS). Diese GPS sind nach VDI 2870 unternehmensspezifische methodische Regelwerke, mit dem Unternehmen ihre Prozesse am Kunden ausrichten. Wesentliche Elemente sind dabei Methoden der Lean Production.

  • ist auf die individuellen menschlichen Bedürfnisse und die Partizipation von interdisziplinären Teams auszurichten.
  • ist in einem integrierten Ansatz aus Lean Production und Industrie 4.0 umzusetzen. 
  • ist durch Elemente der Kundenintegration und -individualisierung am Kundennutzen auszurichten.
  • ist auf die unternehmensübergreifende Kooperation für eine durchgängige Betrachtung von End­to­End­Prozessen ohne Systembrüche auszuweiten. 
  • muss ein systematisches Datenmanagement und systemweite Transparenz berücksichtigen.
  • ist konsequent zur Ausweitung von Flexibilität und Wandlungsfähigkeit zu nutzen.
  • muss umfassende Standardisierung bei gleichzeitiger Wahrung von Freiheitsgraden für individuelle Anwendungsdomänen ermöglichen.
  • ist unter Einbezug neuer digitaler Methoden und Werkzeuge durchzuführen.
  • ist mit  einer Toolbox für Methoden und Werkzeuge zu begleiten. 
  • ist unter Einbezug neuer technologischer Industrie-4.0-Anwendungen und deren Beschreibung in Form von Use-Cases umzusetzen.

Es wird in der Studie davon ausgegangen, dass Industrieunternehmen in Zukunft flexibler auf Kundenanfragen reagieren und ihre Produktion rasch auch an sehr spezielle Kundenwünsche anpassen müssen. Nach den Konzepten von Industrie-4.0 sollen dann selbst Einzelanfertigungen zum Preis von Massenware gefertigt werden. 

Das erfordere einerseits flexible und wandlungsfähige Maschinen und andererseits ein gutes Datenmanagement über alle Maschinen und Systeme und sogar über Unternehmensgrenzen hinweg bis zum Lieferanten und zum Kunden. In der Studie wird deshalb von „End-to-End-Prozessen ohne Systembrüche“ gesprochen.

Die Forschungsgruppe leitet in der Studie zehn Richtlinien ab. Danach gilt: Die Gestaltung ganzheitlicher Produktionssysteme

Die Forschungsgruppe „Umsetzungsmethoden für die Digitale Produktion“ wird im Sommer einen Industriearbeitskreis „Ganzheitliche Produktionssysteme 4.0“  gründen, in dem die Ausgestaltung einer solchen Toolbox praktisch mit Expertinnen und Experten aus dem Industrial Engineering durchgeführt wird. Die Studie „Ganzheitliche Produktionssysteme 4.0“ ist Teil der Forschungsarbeiten im „Future Work Lab“ und steht hier kostenlos zum Download zur Verfügung.

Übrigens: Die Studie wurde Anfang 4. Mai 2021 veröffentlicht, rund fünf Wochen bevor der Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE) zusammen mit der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina ein gemeinsames Positionspapier zum Weg hin zur Klimaneutralität vorgestellt und öffentlichkeitswirksam der Bundeskanzlerin übergeben hat. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Ratsmitglieder zeigen darin Handlungsoptionen für die notwendige Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft auf. Das Papier finden Sie hier.

Nachhaltigkeit wird in  den zehn Richtlinien zur Gestaltung von Produktionssystemen des Fraunhofer IPA expressis verbis nicht aufgeführt.


2021-06-04

Schlau umgeformt und schwer zu faken

von Wolfgang Filì, facts-and-figures

Wer Werkstücke umformt, gestaltet ihr Äußeres. Dass er damit auch innere Werte verändert, ist zwangläufig. Ein Projekt erforscht, wie man beim Drückwalzen die Eigenschaften von Stahlwerkstoffen anpasst. Das Ergebnis sollen günstig gefertigte Teile sein, die obendrein fälschungssicher sind.

Typisches Beispiel ist das Drückwalzen von Teilen für Zentrifugen- oder Strahltriebwerke. Wird hier ein metastabiler austenitischer Stahl verwendet, kann man die äußere Form und auch die Eigenschaften des Metalls durch Phasenumwandlung steuern. Die Universität Paderborn, die Technische Universität Dortmund und das Fraunhofer-Institut für Entwurfstechnik Mechatronik arbeiten an einem Verfahren, mit dem man die Eigenschaften der künftigen Bauteile sehr fein ortsaufgelöst einstellen kann. Hierbei lassen sich nützliche Zusatzfunktionen integrieren: etwa für die Überwachung von Bauteilzuständen oder eine eindeutige und manipulationssichere Kennzeichnung.

1. Über das geregelte Drückwalzen kann man physikalische und mechanische Eigenschaften beeinflussen, und zwar definiert und exakt wiederholbar. Beispiele sind die Festigkeit oder Härte des Stahls. Neben der Verbesserung der Eigenschaften wird bei der Fertigung Material gespart.

2. Wenn überhaupt, war vergleichbare Funktionalität bislang nur durch Nacharbeit zu erreichen, also mit Mehraufwand. Die Fertigung in einem Regelkreis dagegen verbessert die Teilequalität und verringert den Ausschuss.

3. Smartes Drückwalzen erschließt insoweit die Möglichkeiten metastabiler austenitischer Stähle. So lässt sich ein magnetischer Barcode in das Stahlbauteil einbringen. Er ist äußerlich unsichtbar, aber eindeutig identifizierbar. Mit anderen Worten: Man kann fälschungssichere Produkte herstellen.

Geregeltes Drückwalzen beeinflusst die Werkstoff-Härte und -Festigkeit. Die Funktionalität wird verbessert. Man spart Material. © Filì

Das Vorhaben „Eigenschaftsbasierte Regelung von Verfestigungs- und Phasenumwandlungs-Prozessen  beim Drücken und Drückwalzen metastabiler Austenite“ wird seit 2019 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft mit 450 000 Euro zunächst für zwei Jahre unterstützt. Es gehört zu dem Schwerpunktprogramm „Eigenschaftsgeregelte Umformprozesse“. Letzteres fördert hier insgesamt elf Forschungsverbünde. Ziel ist, die Grundlagen Eigenschaftsregelung von Umformabläufen zu untersuchen, neue Ansätze zu erproben und zu nachzuweisen.

Universität Paderborn
www.mb.uni-paderborn.de/luf/

Fraunhofer-Institut für Entwurfstechnik Mechatronik (IEM)
www.iem.fraunhofer.de/de/forschung/forschungsbereiche/scientific-automation/abteilung-regelungstechnik.html

Technische Universität Dortmund
www.wpt.mb.tu-dortmund.de

2021-06-03

Trends in der Blechbearbeitung

von Volker Albrecht, freier Journalist in Bamberg

Den Weg zur Smart Factory sollen vernetzbare und teils autonome Fertigungssysteme bereiten: ein Überblick der aktuellen Entwicklungen für die Blechbearbeitung.

Um auch ohne reale Fachmessen die Trends der technischen Neuentwicklungen zu erkennen, haben wir aus Webinaren, virtuellen Messen, Video-Gesprächen, Fachbeiträgen und Neuvorstellungen die aktuellen Entwicklungen in der Blechbearbeitung zusammengestellt.

Das Ziel der Premiumanbieter im Blechbereich ist weiterhin die Smart Factory. Eine Fabrik, in der alle Produktionsprozesse nahtlos vernetzt sind, die Systeme in Echtzeit miteinander kommunizieren, die Aufträge selbstständig, die ihre Lagerhaltung organisiert, Angebote automatisch erstellt und Neubestellungen sofort in die Produktionsplanung integriert. Mit einer derartigen Musterfabrik produziert Trumpf seit Mitte 2020 in Ditzingen eigene Blechteile. 



Die Smart Factory ist das Ziel in der Blechbearbeitung. In ihr sollen Eine Fabrik, in der alle Produktionsprozesse nahtlos vernetzt sein und die Systeme in Echtzeit so miteinander kommunizieren, dass die Aufträge selbstständig erledigt werden. © Bystronic
In den Werkhallen der meisten Fertiger sieht es anders aus: Maschinen, Geräte und Software unterschiedlicher Hersteller und Baujahre produzieren nebeneinander und mehr oder weniger durch herstellerunabhängige Software vernetzt. Für Alberto Martínez, Head of Competence Center Software Services, Chief Digital Officer, and Member of Bystronic Management Committee ist die Erkenntnis daraus klar: „Wir mussten uns eingestehen, dass wir die Bedürfnisse unserer Kunden nicht länger im Alleingang befriedigen können. Blechbearbeiter suchen immer weniger einzelne Produkte, sondern vernetzte Lösungen. Und diese können wir nur in Zusammenarbeit mit externen Partnern bieten.“ Entsprechend öffnet sich Bystronic wie viele andere Anbieter stärker als bisher für die Zusammenarbeit mit anderen Anbietern und wird in Zukunft Systeme von Fremdherstellern einbinden. Erleichtert wird diese Einbindung durch die Schnittstelle umati (universal machine technology interface) für den Datenaustausch zwischen Werkzeugmaschinen.

Neben der Vernetzung ist der autonome Betrieb von Anlagen ein erklärtes Ziel der Anbieter. Assistenzsysteme vor allem im High-End-Bereich der Lasertechnik erlauben einen selbstregelnden Betrieb beispielsweise in den Laserschneidmaschinen der TruLaser Serie 5000. Das Assistenzsystem Active Speed Control schließt hier aus dem Prozessleuchten im Schneidspalt auf die Schnittqualität und passt entsprechend die Vorschubgeschwindigkeit automatisch an. Ebenfalls als weitgehend selbstregulierend beschreibt Amada seine neue Faserlaserschneidanlage Regius-3015AJ, die sich vor allem durch ihre Positioniergeschwindigkeit von bis 340 m/min auszeichnet.

Übergreifend bei allen Herstellern ist der Trend zu hohen Laserleistungen bis 15 kW zu erkennen, mit denen die Lasermaschinen Blechdicken bis 50 mm schneiden können, ein Blechdickenbereich der bisher den Plasmamaschinen vorbehalten war. Mit Assistenzsysteme einerseits und den hohen Laserleistungen wollen sich die Premiumhersteller zudem von dem im Markt mittlerweile vielfältig und günstig verfügbaren Angebot an Basismaschinen mit Standard-Faserlaserquellen abheben.

Der Trend zu autonomen Systemen setzt sich im Biegebereich fort. Hier sind zwar autonome Stanz-Biegelinien und Biegezentren unter anderem von Salvagnini seit Jahren bekannt, zunehmend werden aber Biegezellen mit Abkantpressen als (teil-) autonome Systeme angeboten. Eines dieser selbstregelnden System ist die Ulti-Form-Biegezelle von LVD, die eine 135-t-Abkantpresse mit einem Industrieroboter koppelt. Der Roboter übernimmt darin sowohl den Werkzeugwechsel als auch das Teilehandling. Programmiert werden Presse und Roboter in einem einzigen Steuerungssystem.

Verknüpft mit der Digitalisierung ist das Erfassen und Speichern vielfältiger Daten zu Maschine und Prozess. Genutzt werden diese Daten vorerst meist dazu, den Anwender zu jeder Zeit an jedem Ort über den aktuellen Zustand der Maschinen zu informieren und Wartungs- und Instandhaltungsmaßnahmen einzuleiten. KI-gestützte Tools zur systematischen Auswertung der Daten im Hinblick auf eine Optimierung der Prozesse werden allenfalls beim Maschinenhersteller mit Einverständnis des Anwenders, nicht aber direkt beim Anwender eingesetzt. Anwendungen wie in der Automobilindustrie, wo KI-gestütze Systeme direkt Produktionsdaten auswerten und zur Optimierung der Produktionsplanung nutzen, sind im Blechbereich nicht bekannt.

So betreffen KI-Anwendungen vor Ort meist die Prozessperipherie. Am bekanntesten dürfte das selbstlernende Systeme zum automatischen Ausstoßen von Laserteilen aus dem Restgitter mit Hilfe von Aufwerferstiften im Laservollautomat TruLaser Center 7030 sein. Interessant ist auch der vom Fraunhofer IPA zusammen mit Trumpf entwickelte Sorting Guide, in dem eine künstliche Intelligenz automatisch die Bauteile erkennt, die ein Bediener aus dem Restgitter entnimmt. Das System zeigt dann die zugehörigen Auftragsdaten und den Ablageort an und übermittelt die Entnahme direkt an den Leitrechner. Ebenfalls zur Teileerkennung und zur entsprechenden Handhabung durch einen Roboter nutzt Arku sein KI-gestützes Vision-Roboter-System, um Teile einer Bearbeitungsmaschine zuzuführen und nach der Entnahme abzustapeln. Das System kann vom Anwender ohne jede spezifische Teileprogrammierung eingesetzt werden.

Große Fortschritte hat die Digitalisierung in den letzten Jahren vor allem in der Produktionsplanung- und –steuerung gemacht. Hier sind neue digitale Dienstleister entstanden, die mit ausgefeilten Softwaresysteme administrativen Vorgänge von der Angebotserstellung bis zur Beauftragung des Logistikdienstleisters und der Rechnungserstellung automatisch abarbeiten. Die reale Fertigung wird von diesen Systemen dann – ebenfalls automatisch – an externe Blechfertiger vergeben. Mit der Leistungsfähigkeit der Softwaresysteme dieser Online-Fertigungsplattformen ohne Maschinen können die wenigsten Webshops herkömmlicher Blechbearbeiter mithalten. 

Und das umso mehr, weil die Plattformen den Auftrag an den Fertiger algorithmengesteuert an den Fertiger vergeben, der am besten dafür ausgestattet ist. Diese Online-Fertigungsplattformen bieten bestechende Vorteile für die Einkäufer, und haben durchaus das Potential, die Blechbranche insgesamt zu verändern.Bis dahin allerdings können Blechfertiger auch ihre herkömmliche Fertigung ohne digitale Vernetzung optimieren. Beispielsweise durch Systeme zur Materialbereitstellung etwa oder durch ein Ortungssystem für Material in Werkhallen – das bei einer vernetzten automatisierten Fertigung gar nicht notwendig wäre.

2021-04-02

Zu wenig Geld um Billiges zu kaufen

von Wolfgang Filì, facts-and-figures 

Wie stanzt und biegt man wechselnde Präzisionsteile zwischen Kleinlos und Großserie, und verdient unterm Strich auch noch Geld damit? Hmmm... Der Werkzeugbau müsste hier so flexibel wie exakt arbeiten, und dies vor allem auch noch schnell. Aber das kann klappen, sehr gut sogar. Die Solinger Dr. Franke Umformtechnik setzt dabei auf  Normalien von Meusburger.

Ab Kofferformat bis zu 2 m Länge sei alles machbar, sagt Jens Koch. Über 60 Stanz-, Tiefzieh- und Feinschneide-Tools sind es, die er und seine Kollegen pro Jahr entwerfen, fertigen, montieren und einfahren und mit denen Dr. Franke Umformtechnik dann Teile fertigt. Gearbeitet wird mit 200 t bis 300 t Presskraft. Typisch sind Stanzserien je 50000 bis 200000 Teile, Tendenz dabei fallend. Hin und wieder gibt es – eher als Ausreißer - auch Millionenserien. 

Anhand der Ausrichtkante wird auf der Maschine schneller justiert. © Filì

Das Solinger Unternehmen verarbeitet rund 20 t Bandmaterial pro Tag: in der Regel Warm- sowie einige Kaltbandstähle, Aluminium sei im Kommen, sagt Koch. Er leitet den Werkzeugbau, ist selber seit 1990 im Betrieb. Seine Abteilung arbeitet profitabel. Dies geht allein mit verlässlicher Technik. 

Bis 2013 waren Werkzeuggestelle eingesetzt worden von Herstellern wie EOC, DME und MSP. Die Preise waren vergleichsweise günstig, die Lieferzeit mit drei Wochen noch vertretbar, das Einfahren der Tools auf der Presse jedoch oft schwierig, oder anders gesagt: zu zeitintensiv, berichtet Jens Koch: „Die Gestelle waren bisweilen nicht sauber gearbeitet, die Stichmaße ungenau. Katalogangaben und tatsächliche Säulenbohrungen stimmten selten überein.“ Es fehlte an der Präzision. Es wurden Alternativen gesucht - dies indes in der Erkenntnis, dass unterm Strich das Geld fehlte, erneut Billiges zu kaufen.

Insoweit kam die Meusburger Georg GmbH+Co. KG in Betracht. Das Unternehmen liefert Werkzeug-Normelemente respektive Module für die Stanz- und Umformtechnik. Seine Gestelle sind rund 10 % teurer als die der Vorlieferanten, gelten in der Branche jedoch als sehr gut verarbeitet.

Geliefert wird in zerlegten Einheiten. Man kauft keine Katze im Sack. Jedes der viersäuligen Standardgestelle wird aus 3D-vermessenen Komponenten aufgebaut. © Filì







Erstes Projekt bei Dr. Franke Umformtechnik war ein Folgeverbundwerkzeug; und es waren Details, die sofort den Unterschied zeigten. „Die Säulenbohrungen stimmen aufs Hundertstel, der Aufbau ist stabil“, sagt Werkzeugbau-Chef Koch. „Justiert wird erheblich schneller anhand einer blau abgehobenen Ausrichtekante.“ Hier sei offenbar mit dem nötigen Wissen aus der Praxis entwickelt worden. 

Meusburger liefert die Gestelle in zerlegten Einheiten. Der Kunde kauft keine Katze im Sack. Die viersäuligen „SV“-Standardgestelle bieten die Österreicher an in den Größen 156x156 bis 696x1396. Die Führungssäule kann in die Kopf- oder Grundplatten eingebaut werden. Diese wiederum sind über 24 h hinweg mehrfach zwischen- beziehungsweise spannungsarm-geglüht. Für kurze Schneid- und Biegestempel gibt es eine Zwischenplatte aus 1.2379 mit Bearbeitungszugabe SV 85. 

„Alles ist dreidimensional vermessen und dokumentiert“, sagt Marcus Fischbach. Er leitet die Meusburger-Verkaufsregion Deutschland West und ist ebenfalls gelernter Werkzeugbauer: Meusburger liefere das, was die Betriebe brauchen - und zwar in geboten knapper Frist, stellt Fischbach heraus. Sein Haus unterhalte das europaweit größte Lager an Werkzeugbau-Normalien mit über 86000 Artikeln. Die Lieferbereitschaft liege bei 97 %. Ein komplettes Gestell sei in drei bis vier Arbeitstagen beim Kunden. 

Dies schaffe Spielraum und Sicherheit, bestätigt Jens Koch. Die Meusburger-Komponenten seien sehr gut dokumentiert. Der Außen- und Innendienst betreue so schnell wie kompetent und habe großen Anteil daran, dass der Dr.-Franke-Werkzeugbau nicht bereits Wochen vor Fertigungsstart bis ins Detail planen müsse, sondern vielmehr auf dem jeweils jüngsten Stand.

Dr. Franke GmbH+Co. KG
www.dr-franke-umformtechnik.de

Meusburger Georg GmbH+Co. KG
www.meusburger.com

2021-01-05

Hilfe für den Mittelstand? Nichts leichter als das!

von Wolfgang Filì, facts-and-figures

Ihr Betrieb lief bis März 2020 halbwegs profitabel, hat brav seine Steuern bezahlt, deckt jetzt aber kaum noch die Kosten und wäre bei Lockdown Nr. 2 geliefert, spätestens aber bei Nr. 3? Damit stünden Sie nicht alleine. 

99 % aller Firmen sind Mittelständler. Zwar schöpfen sie über die Hälfte der Werte, stellen 60 % aller Arbeitsplätze und seien Innovationsmotor der Nation, lobte Bundesminister Altmeier. 

Zwei tragen die Lasten, einer sitzt bequem: Cantilever-Prinzip (Archivbild)

Aber die wenigsten unterhalten eine eigene Lobby in Berlin, schnieke BWLer oder Juristen im Haus, die ihnen das eine oder andere Scheibchen der 25 Milliarden Euro Überbrückungshilfe sichern. Frei nach Cantillon bleibt das Geld bei Großbetrieben und politisch Begünstigten hängen.

Aber kann dies richtig sein? Fordern Sie Ihren Abgeordneten doch einfach auf, sich einzusetzen dafür, dass jeder Betrieb als Corona- respektive Rezessionshilfe seine – sagen wir – in den jüngsten drei Jahren gezahlten Steuern zurückerstattet bekommt. Das würde 99 % der mittelständischen Firmen helfen und nicht solchen Großunternehmen, deren Geschäftsmodell Steuervermeidung ist. 

Wie denken Sie?

2021-01-02

Außendienst vor der Selbstentleibung

von Wolfgang Filì, facts-and-figures

Das verarbeitende Gewerbe ist ausgebremst. Vertriebler, Anwendungstechnik und After-Sales-Service darben auf dem Standstreifen. Wie lange der organisierte Widersinn anhält, ist offen. Sicher ist nur, dass ohne frische Impulse bald gar nichts mehr geht.

Sie verkaufen über Amazon oder: Zumindest könnten Sie dies theoretisch? OK, dann ist dieser Beitrag nichts für Sie. Denn was Sie herstellen, ist vermutlich Technik von der Stange, hübsch dokumentiert und für Kunden gedacht, deren Wünsche im Wesentlichen vergleichbar sind. Geliefert wird jeweils nach der Zahlung. 

Nein? Der Internethandel ist nicht wirklich Ihr Kanal? Ihr Ding sind vielmehr Technologien und Teile, Systeme und Stücke für den Anfang jeder Wertschöpfung? Mit anderen Worten: Sie bieten Metallertechnik nach Maß und Bedarf?

Dann gibt’s gleich mehrfach Anlass zur Sorge:

a) zum einen um die Bestandkundschaft, und inwieweit diese auch nach 1. Januar noch solvent ist,

b) zum anderen um Ihr Vertriebspersonal, dass Sie nicht nur bezahlen müssen, sondern zunehmend auch trösten sowie

c) um Auslieferung, ggf. Inbetriebnahme und auch den After-Sales-Service vor Ort. 

Wir sollten uns um neue Wege kümmern rund um die Kundengewinnung und -bindung, um die Abwicklung und den After-Sales-Service. © Filì 

Zunächst Ihre Kunden: Eingangs 2021 dürfte klar sein, wer gut gewirtschaftet hat und wer überschuldet den Markt verlässt. Dann soll das ausgesetzte Insolvenzrecht wieder gelten – Domino-Effekte insoweit nicht ausgeschlossen.

Vertrackter wird es schon bei der Akquise. Altregeln für Verkäufer von Ausrüstungstechnik – wie: „klopft überall an, wo Kamine rauchen“ – gelten nicht mehr. Sie kämen eh kaum ‘rein in die Firma. Besuchstermine werden seltenerer gemacht. Und nicht jeder Pförtner ist mit Fiebermesser und Viren-Schnelltest bestückt. 

Hinzu kommt: Handelsmessen sind derzeit genauso ausgebremst wie die Industrie daselbst. Eine virtuelle Ausstellung und Kundengewinnung via Zoom ist nur etwas für Leidensfähige, eher abschlussschwach und schon gar nicht erschöpfend. Persönliche Gespräche bei Skizzen und Espresso sind kaum zu ersetzen.

Bestehende Projekte „hängen“ häufig, weil der Auftraggeber im Ausland sitzt – sei es Italien, China oder Israel – oder in einem so genannten Viren-Hotspot, dies gerne auch in Deutschland. Und ist die verkaufte Lösung nicht installiert, nützten auch Inbetriebnahmen per digitalem Zwilling wenig. Was bedeutet: Kundendienst und die Anwendungstechnik bleiben daheim und der Leistungstausch ruht. 

Handelsmessen sind so ausgebremst wie die Industrie daselbst, virtuelle Ausstellungen und Kundengewinnung via Zoom nur etwas für Leidensfähige, eher abschlussschwach und schon gar nicht erschöpfend. © Filì 

Nun kann man sich fragen, wie lange solch organisierter Widersinn vorhalten kann – "dürfen" darf er ja qua Infektionsschutzgesetz. Firmen und Verbände murren zwar. Sie fügen sich aber ins Alternativlose. Dennoch: Sollte der ganze Spuk einst vorbei sein und die Wirtschaft zieht wieder an, werkeln die Leistungsträger womöglich woanders, aber nicht mehr fürs eigene Haus. Bis dahin – und vielleicht auch darüber hinaus - tun frische Vertriebsimpulse Not.

Wussten Sie etwa, dass das Gros unserer Industrieausrüster seine Webseiten immer noch entlang gedruckter Vorlagen aufbaut, also nach Katalogen und Hauszeitschriften? Manche begnügen sich auch damit, nach knappem Vorwort zum Unternehmen ganze PDFs ins Netz zu stellen. Das ist wenig interaktiv und schon gar nicht geneigt, potenzielle Kunden mit ihren Anliegen einzufangen. 

Aber es geht noch toller: Zwar erfassen die meisten Betriebe die Zufriedenheit ihrer Kunden systematisch, die Hälfte wertet die Rückmeldungen jedoch noch händisch aus. Ein Zehntel verwertet das gesammelte Kundenfeedback erst gar nicht.

Wir sollten uns mithin um neue Wege kümmern rund um die Kundengewinnung und -bindung, die Abwicklung und den After-Sales-Service. Triftige Ansätze gibt es bereits. Sprechen wir miteinander.

Bleiben Sie einfallsreich und wirtschaftlich gesund!

Geld verdienen erst wieder ab 2023?

  von Wolfgang Filì, facts-and-figures Maschinenbauer haben's schwer. Geht's aufwärts mit der Konjunktur, profitieren sie als letzte...