von Wolfgang Filì, facts-and-figures
Das verarbeitende Gewerbe ist ausgebremst. Vertriebler, Anwendungstechnik und After-Sales-Service darben auf dem Standstreifen. Wie lange der organisierte Widersinn anhält, ist offen. Sicher ist nur, dass ohne frische Impulse bald gar nichts mehr geht.
Sie verkaufen über Amazon oder: Zumindest könnten Sie dies theoretisch? OK, dann ist dieser Beitrag nichts für Sie. Denn was Sie herstellen, ist vermutlich Technik von der Stange, hübsch dokumentiert und für Kunden gedacht, deren Wünsche im Wesentlichen vergleichbar sind. Geliefert wird jeweils nach der Zahlung.
Nein? Der Internethandel ist nicht wirklich Ihr Kanal? Ihr Ding sind vielmehr Technologien und Teile, Systeme und Stücke für den Anfang jeder Wertschöpfung? Mit anderen Worten: Sie bieten Metallertechnik nach Maß und Bedarf?
Dann gibt’s gleich mehrfach Anlass zur Sorge:
a) zum einen um die Bestandkundschaft, und inwieweit diese auch nach 1. Januar noch solvent ist,
b) zum anderen um Ihr Vertriebspersonal, dass Sie nicht nur bezahlen müssen, sondern zunehmend auch trösten sowie
c) um Auslieferung, ggf. Inbetriebnahme und auch den After-Sales-Service vor Ort.
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Wir sollten uns um neue Wege kümmern rund um die Kundengewinnung und -bindung, um die Abwicklung und den After-Sales-Service. © Filì
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Zunächst Ihre Kunden: Eingangs 2021 dürfte klar sein, wer gut gewirtschaftet hat und wer überschuldet den Markt verlässt. Dann soll das ausgesetzte Insolvenzrecht wieder gelten – Domino-Effekte insoweit nicht ausgeschlossen.
Vertrackter wird es schon bei der Akquise. Altregeln für Verkäufer von Ausrüstungstechnik – wie: „klopft überall an, wo Kamine rauchen“ – gelten nicht mehr. Sie kämen eh kaum ‘rein in die Firma. Besuchstermine werden seltenerer gemacht. Und nicht jeder Pförtner ist mit Fiebermesser und Viren-Schnelltest bestückt.
Hinzu kommt: Handelsmessen sind derzeit genauso ausgebremst wie die Industrie daselbst. Eine virtuelle Ausstellung und Kundengewinnung via Zoom ist nur etwas für Leidensfähige, eher abschlussschwach und schon gar nicht erschöpfend. Persönliche Gespräche bei Skizzen und Espresso sind kaum zu ersetzen.
Bestehende Projekte „hängen“ häufig, weil der Auftraggeber im Ausland sitzt – sei es Italien, China oder Israel – oder in einem so genannten Viren-Hotspot, dies gerne auch in Deutschland. Und ist die verkaufte Lösung nicht installiert, nützten auch Inbetriebnahmen per digitalem Zwilling wenig. Was bedeutet: Kundendienst und die Anwendungstechnik bleiben daheim und der Leistungstausch ruht.
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Handelsmessen sind so ausgebremst wie die Industrie daselbst, virtuelle Ausstellungen und Kundengewinnung via Zoom nur etwas für Leidensfähige, eher abschlussschwach und schon gar nicht erschöpfend. © Filì
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Nun kann man sich fragen, wie lange solch organisierter Widersinn vorhalten kann – "dürfen" darf er ja qua Infektionsschutzgesetz. Firmen und Verbände murren zwar. Sie fügen sich aber ins Alternativlose. Dennoch: Sollte der ganze Spuk einst vorbei sein und die Wirtschaft zieht wieder an, werkeln die Leistungsträger womöglich woanders, aber nicht mehr fürs eigene Haus. Bis dahin – und vielleicht auch darüber hinaus - tun frische Vertriebsimpulse Not.
Wussten Sie etwa, dass das Gros unserer Industrieausrüster seine Webseiten immer noch entlang gedruckter Vorlagen aufbaut, also nach Katalogen und Hauszeitschriften? Manche begnügen sich auch damit, nach knappem Vorwort zum Unternehmen ganze PDFs ins Netz zu stellen. Das ist wenig interaktiv und schon gar nicht geneigt, potenzielle Kunden mit ihren Anliegen einzufangen.
Aber es geht noch toller: Zwar erfassen die meisten Betriebe die Zufriedenheit ihrer Kunden systematisch, die Hälfte wertet die Rückmeldungen jedoch noch händisch aus. Ein Zehntel verwertet das gesammelte Kundenfeedback erst gar nicht.
Wir sollten uns mithin um neue Wege kümmern rund um die Kundengewinnung und -bindung, die Abwicklung und den After-Sales-Service. Triftige Ansätze gibt es bereits. Sprechen wir miteinander.
Bleiben Sie einfallsreich und wirtschaftlich gesund!